Die von der Betreibergesellschaft NPCIL für August 2014 großspurig angekündigte kommerzielle Inbetriebnahme des AKW Kudankulam 1 scheiterte einmal mehr. Die NPCIL leiert weiterhin ihr Mantra herunter: „Nächsten Monat, nächsten Monat, …”. Soweit nichts Neues.
Nur die Lügen werden dreister. In der Öffentlichkeit kündigte die NPCIL den kommerziellen Betrieb von Block 1 an, während sie für die gleiche Zeit die Fortsetzung des Probebetriebs beantragte. In dem Antrag legte die NPCIL auch dar, warum ein kommerzieller Betrieb vorerst nicht möglich sei.
Am 16.Juli wurde Kudankulam 1 heruntergefahren – wegen einer Jahresinspektion, teilte der AKW-Leiter Sundar mit. Tatsächlich hatte die Aufsichtsbehörde eine Dichtheitsprüfung des Sicherheitsbehälters angeordnet.
Die atomfreundliche Presse Indiens übernimmt regelmäßig die Verlautbarungen der NPCIL ungeprüft. Nur im August gab es eine kleine Irritation:
„Normalerweise kündigt die NPCIL das Datum der Verschiebung des kommerziellen Betriebs um den 15. eines jeden Monats an. Diese Ankündigung blieb bis zu diesem Zeitpunkt aus. Das ließ hoffen, der erste Block würde im August den kommerziellen Betrieb aufnehmen.” (Kudankulam plant to go commercial next month – The Hindu)
Anscheinend leiden doch nicht alle JournalistInnen der etablierten indischen Medien unter der Alzheimer Krankheit. Nachfragen oder gar eigene Recherchen unterbleiben trotzdem. Selbst öffentlich zugängliche Dokumente werden ignoriert.
Zweite Verlängerung des Probebetriebs
Ende Juni oder Anfang Juli 2014 hatte die NPCIL zum zweiten Mal die Verlängerung des Probebetriebs beantragt. Die zentrale Stromregulierungsbehörde CERC genehmigte im August die instabile Stromeinspeisung („inject infirm power”) bis 22.Oktober 2014. Die erste Verlängerungsgenehmigung war im Juli abgelaufen. In Indien sind sechs Monate Probebetrieb üblich. Kudankulam 1 hatte diesen am 22. Oktober 2013 begonnen.
Der Antrag No.158/MP/2014 gibt immerhin einige vage Hinweise auf technische Probleme im AKW Kudankulam:
In der vorletzten Testphase (C2, 75% Last) seien Mängel aufgetreten, die ein Abschalten des Reaktors und die Wiederholung der Tests erfordert hätten. In der letzten Testphase (C3, 90-100% Last) sei der Reaktor wegen Störungen in den Sekundärsystemen dreimal ausgefallen.
Zum Ende der ersten Probebetriebsverlängerung am 22.7.2014 sei noch kein kommerzieller Betrieb möglich, da vorbereitende Aufgaben noch nicht erledigt seien:
- Demonstration eines ununterbrochenen Betriebes für sieben Tage bei 90 % Auslastung.
- Einreichung der Berichte der letzten Testphase bei der Atomaufsichtsbehörde und Freigabe des Dauerbetriebs unter Volllast.
- Herunterfahren und Abkühlen des Reaktors („cold shutdown”), um eine von der Atomaufsichtsbehörde angeordnete Dichtheitsprüfung des Sicherheitsbehälters („Containment Integrated Leak Rate Test (ILRT)”) durchführen zu können. Bei dieser Gelegenheit seien weitere Wartungsarbeiten und Kontrolltests durchzuführen.
- Hochfahren des Reaktors bis zur Erreichung der Volllast.
Diese Aktivitäten würden zwei Monate dauern. Sicherheitshalber beantrage man aber eine Genehmigung für drei Monate bis zum 22.Oktober 2014.
Nicht geplante Dichtheitsprüfung für Sicherheitsbehälter
Die Aufsichtsbehörde hatte offenbar erst in der ersten Verlängerung des Probelaufs eine erneute Dichtheitsprüfung des Sicherheitsbehälters angeordnet. Im ersten Verlängerungsantrag No.72/MP/2014 war diese noch nicht vorgesehen (siehe Abbildung). Für die Prüfung wurden 30 Tage eingeplant. Aber auch hier gab es unerwartete Probleme, das Hochfahren des Reaktors musste bislang 4 Mal verschoben werden. Die Öffentlichkeit erfuhr weder, warum die Dichtheitsprüfung angeordnet wurde, noch, welche Ergebnisse sie hatte.
Die Medien (z.B. India TV News) berichten weiter von der angeblichen Jahreswartung. Diese sei am 2.9.14 abgeschlossen worden. Der Reaktor werde in einer Woche auf Volllast hochgefahren sein.
Putin kommt
Narendra Modi hat seinen russischen Amtskollegen Putin eingeladen, bei dessen Indienbesuch im Dezember 2014 einen Abstecher nach Kudankulam zu machen. Dort wird er eine Erfolgsgeschichte präsentieren:
Mit der IAEO könnte er erzählen, der erste Block sei schon über ein Jahr im Betrieb und produziere seit 30.Juni 2014 kommerziell Strom. Die erste Jahresinspektion sei erfolgreich durchgeführt worden. Die Zusammenarbeit mit den russischen Ingenieuren von Rosatom sei hervorragend und planmäßig verlaufen. In Kürze werde auch der zweite Block in Betrieb gehen. „Nächsten Monat, nächsten Monat”, wird Lügendirektor Sundar leise ergänzen. Zu einigen Verzögerungen sei es nur wegen des aus dem Westen finanzierten Protestes nach Fukushima gekommen.
Die während des Baus durch Stromschlag umgekommenen Arbeitern, die von der Staatsgewalt getöteten AKW-Gegner und die bei einem Störfall Schwerverletzten wird Modi höchstens als Kollateralschaden erwähnen. Die zahlreichen Terminverschiebungen und Qualitätsdefizite werden als böswillige Propaganda von aus dem Ausland finanzierten NGOs abgetan werden.