Anti-Atom-Bewegung auf parlamentarischen Abwegen?

Arvind Kejriwal
Arvind Kejriwal, AAP

Die neue Regierungspartei in Delhi unterstützt die Anti-Atom-Bewegung in Kudankulam. Damit ist die regionale Beschränkung der Bewegung durchbrochen.

Die zunächst nur in Delhi erfolgreiche Anti-Korruptionspartei AAP will bei den nationalen Wahlen 2014 in ganz Indien antreten. Sie bemüht sich um KandidatInnen aus der Bewegung gegen die Atomenergie (PMANE) in Kudankulam. Werden bei den indischen Wahlen 2014 die Atom-GegnerInnen Südindiens die neue Partei unterstützen? Wie werden sich die Bewegungen an den anderen Standorten verhalten?

Am 28. Dezember 2013 wurde Arvind Kejriwal, Vorsitzender der Aam Aadmi Party (AAP), als Regierungschef des Stadtstaates Delhi vereidigt (“Heute Delhi, morgen das ganze Land”). Vor gut einem Jahr hatten AktivistInnen aus der Anti-Korruptionsbewegung um Anna Hazare die “Partei des kleinen Mannes” gegründet. Bei den Wahlen im Stadtstaat Delhi gewann die AAP auf Anhieb 28 von 70 Sitzen (“‘Normalbürger’ wollen Delhi regieren”). Sie bildet eine Minderheitsregierung und wird von der Kongresspartei unterstützt.

Nach dem Erfolg in Delhi bereitet sich die AAP auf die Wahlen zum indischen Parlament im Jahr 2014 vor. Sie sucht im ganzen Land engagierte KandidatInnen. Nach Südindien bestanden schon vor der Parteigründung gute Verbindungen. Der heutige Regierungschef Delhis, Arvind Kejriwal, besuchte im September 2012 Idinthakarai und solidarisierte sich in Zeiten der übelsten staatlichen Repression mit der Bewegung gegen das AKW Kudankulam (“Kudankulam protests: Arvind Kejriwal claims meeting activist Udhayakumar in secret“).

Kudankulam, Sept. 2012  (Foto Amirtharaj Stephen)

Kudankulam, Sept. 2012 (Foto Amirtharaj Stephen)

Im November 2013 hatte die PMANE die Menschen in Delhi zur Wahl der AAP aufgerufen (“PMANE Expresses Support to Aam Admi Party (AAP) in the Delhi Polls“).

Am 29.12.13 besuchte Prashant Bhushan vom AAP-Vorstand Idinthakarai, um S.P.Udayakumar für die AAP zu gewinnen. Mit Hilfe der Bewegung gegen das AKW Kudankulam könnte die AAP sich nach Tamil Nadu ausdehnen. Der ideale Spitzenkandidat wäre S.P.Udayakumar, der weit über die Region hinaus bekannte und vom Staat verfolgte Sprecher der PMANE (“Idinthakarai: AAP’s launch pad“).

Im Mai 2012 hatten noch über 20.000 AtomgegnerInnen aus Protest gegen die ignorante Haltung der Regierungen ihre Wahlberechtigungskarten zurückgegeben (“Koodankulam: People Return Voter ID Cards to the Government in Protest“). Die Bewegung bezog ihre Stärke aus dem gewaltfreien Widerstand der lokalen Bevölkerung. Es gelang ihr allerdings nicht, ausserhalb der Region und insbesondere in den großen Städten breitere Unterstützung zu gewinnen.

Die Unterstützung der AAP könnte die tatsächliche oder vermeintliche Chance bieten, die regionale Isolation zu durchbrechen und eine nationale Debatte über die Atomkraft zu eröffnen. Eine solche Debatte war eine zentrale Forderung des von der Coalition for Nuclear Disarmament and Peace (CNDP) organisierten nationalen Anti-Atom-Treffens im Juli 2013. Ein Erfolg der AAP bei den indischen Wahlen 2014 könnte den Durchmarsch der hindu-nationalistischen BJP verhindern. Für Minderheiten und Linke ist dies ein wichtiger Aspekt.

Auf dem nationalen Treffen der indischen Anti-Atombewegungen am 4./5.Januar wird die Frage der Wahlbeteiligung im Rahmen der AAP sicherlich viel Raum einnehmen. Ein Konsens aller Bewegungen wäre ein Wunder. Viele AktivistInnen sind auch parteipolitisch engagiert. In Kovvada hat das die Bewegung im Vorfeld der Wahlen 2014 schon geschwächt. In der Bewegung in Jaitapur spielt die rechtsradikale Shiv Sena eine große Rolle. Das Ergebnis der Konferenz wird in hohem Maße davon abhängen, welche Bewegung wie stark vertreten sein wird. Wird die Debatte um wahlpolitische Fragen die Konferenz dominieren? Wird es neue Spaltungen entlang parteipolitischer Linien geben? Wird es zu einer engeren Zusammenarbeit der bislang stark in ihren jeweilgen Regionen verhafteten Bewegungen kommen? Werden gemeinsame Aktionen verabredet werden?

Zumindest aus der Ferne gesehen, gibt es keine guten Gründe, anzunehmen, die AAP würde nicht den Weg aller Parteien gehen. Wie wir bei den Grünen in Deutschland erleben mussten, zieht ein Wahlerfolg KarrieristInnen und Pöstchen-JägerInnen magisch an, und bald zählen nur noch Machterhalt und der nächste Wahlerfolg um jeden Preis. Die Logik der Macht dominiert. Die einst Gewaltfreien reagieren mit der Staatsgewalt gegen Bewegungen auf der Straße. In Baden-Württemberg mutierten AKW-GegnerInnen zu gut versorgten AKW-Betreibern.

So sehen das aber auch in Deutschland nicht alle AKW-GegnerInnen, auch hierzulande gibt es dazu unterschiedliche Sichtweisen. Warum sollte das in Indien anders sein?

Zum Selbstverständnis der AAP: “Jobs, economic growth as important as labourers’ rights: Yogendra Yadav”

Zur Diskussion über die AAP: “AAP: Subversion By Innocence”