AKW Kudankulam wegen Turbinenschadens abgeschaltet

Protest 10.9.2012 beim AKW Kudankulam. Foto von Amirtharaj Stephen

Protest 10.9.2012 beim AKW Kudankulam. Foto von Amirtharaj Stephen

Der erste Block des AKW Kudankulam musste am 26.September 2014 wegen einer Beschädigung der Turbinenblätter heruntergefahren werden. Für die Reparatur wird der zweite, noch nicht kritische Reaktor ausgeschlachtet.

Eine Ende Oktober 2014 veröffentlichte Studie empfiehlt, die Inbetriebnahme des ersten Blocks wegen gravierender Mängel abzubrechen und die Brennelemente aus dem Reaktor zu entfernen. Nur so könne eine Katastrophe abgewendet werden.

Turbinenschaden

Um 14 Uhr 19 ging das AKW Kudankulam am 26.September 2014 vom Netz – wegen „Turbinenproblemen”. Am 6.Oktober werde das AKW wieder Strom liefern, wurde zunächst angekündigt. Die Wiederinbetriebnahme wurde seitdem dreimal verschoben. Zur Zeit wird der 21.Dezember 2014 genannt. Diese Informationen können der Statistik der Netzgesellschaft SRLDC entnommen werden. Mehr Informationen gab es fast einen Monat lang nicht. Die AKW-Betreiber schwiegen, die Medien ebenfalls.

Erst am 20.Oktober 2014 informierte der AKW-Chef Sundar die Öffentlichkeit:

„Der Block 1 wurde heruntergefahren, um die Turbine und mit ihr verbundene Komponenten zu inspizieren, bevor der kommerziellen Betrieb aufgenommen wird. Wartungsarbeiten sind im Gange. Bevor der Block wieder in Betrieb geht, müssen einige Komponenten der Turbine ausgetauscht werden. Entsprechende Aktivitäten wurden initiiert. Es wird damit gerechnet, dass der Block 1 des AKW Kudankulam in sechs bis acht Wochen wieder in Betrieb ist.” (Presseerklärung 20.10.14)

In der Turbine hätten sich einige Teile gelöst und die Turbinenblätter beschädigt. Die beschädigten Teile würden nun durch Komponenten aus dem zweiten Block ersetzt. Das berichten einige Medien mit Bezug auf anonymen Quellen (NDTV und Econonmic Times). Eine offizielle Bestätigung gab es nicht, aber das erstmalige Hochfahren des zweiten Reaktors wurde vom November 2014 auf den März 2015 verschoben.

Unklar bleibt, warum die Unregelmäßigkeiten in der Turbine erst durch die massiven Schäden bemerkt wurden. Normalerweise werden Vibrationen der Turbine durch redundant ausgelegte Messinstrumente kontrolliert. Die russische Firma Informtekh stellte solche Messinstrumente her. Informtekh lieferte auch nach Kudankulam. Im Mai 2012 war der Direktor von Informtekh, Alexander Murach,wegen Betruges und Verkaufs gefälschter Messinstrumente verurteilt worden (Dianuke).

Vierzehn Notabschaltungen

Die Turbine löste fünf von insgesamt vierzehn Notabschaltungen des ersten Blocks in Kudankulam (KKNPP1) aus. Dies geht aus einer Studie hervor, die V.T.Padmanabham et al. Ende Oktober 2014 veröffentlicht haben. V.T.Padmanabham ist ein international anerkannter Experte für die gesundheitlichen Folgen radioaktiver Strahlung. In der Studie werden die KKNPP1-Daten der Netzgesellschaft SRLDC im erste Jahr nach der Netzanbindung analysiert.

Die Turbine erwies sich als anfälligste Komponente. Das Speisewassersystem ist für drei Notabschaltungen und einen Unfall verantwortlich. Bei einem Rohrbruch wurden im Mai 2014 mehrere Beschäftigte schwer verletzt. Die Angaben zu den übrigen Notabschaltungen sind sehr vage und nicht eindeutig einem Teilsystem zuzuordnen.

Notabschaltungen sind generell mit erhöhtem Materialverschleiß verbunden. AKWs mit mehr als 25 Notabschaltungen pro 7.000 Betriebsstunden (1 Betriebsjahr) müssen in den USA stillgelegt werden. KKNPP1 hatte, auf 7.000 Betriebsstunden hochgerechnet, über 20 Notabschaltungen.

Das AKW wurde zudem mehrfach für kurze Tests und lange Wartungsphasen abgeschaltet. Die angekündigten Termine für die Wiederinbetriebnahme wurden nicht ein einziges Mal eingehalten.

Die finalen Tests scheiterten bislang sieben Mal. Dazu sollte der Reaktor zunächst auf 100 Prozent Leistung hochgefahren und danach ununterbrochen sieben Tage lang stabil bei 90 Prozent laufen.

Die Ursache für den instabilen Betrieb sehen die Autoren der Studie in der Verwendung minderwertiger Komponenten. Bekannt sind Mängel beim Polarkran und beim Reaktordruckbehälter. Die Tragkraft des Krans beträgt weniger als 80 Prozent des Nennwerts. Entgegen der Spezifikation hat der Reaktordruckbehälter Schweißnähte im kritischen Bereich. Dadurch erhöht sich die Kernschadenshäufigkeit (CDF – Core Damage Frequency) um den Faktor 100. Die Betonhüllen des Sicherheitsbehälters wurden nach Fertigstellung wieder aufgebrochen, um nachträglich Kabel zu verlegen.

Das Hauptproblem sei nicht die Korruption bei Zulieferern wie ZiO-Podolsk oder OKB Gidropress, sondern die systematische Verwendung von veralteten Bauteilen, die wegen der Stornierung von 25 VVER-1000 Projekten nach Tschernobyl und nach der Auflösung der Sowjetunion auf Halde lagen. Bei den Reaktoren in Kudankulam handelt es sich um eine neuere Variante mit der Bezeichnung VVER+1000/412, zumindest der Spezifikation nach. Details dazu sind in einer spannenden Studie über mangelhafte und gefälschte Komponenten in Kudankulam nachzulesen.

Das AKW war im Jahr nach der ersten Netzanbindung nur 185 ganze Tage im Betrieb. Das Schrott-AKW steht in einem Tsunami-Gebiet. Das Kühlwasser wird über Entsalzungsanlagen aus dem Meer gepumpt. Sollten diese ausfallen, so wären die Wasserreserven nach eineinhalb Tagen verbraucht.

Drohende Katastrophe oder Top-AKW

V.T.Padmanabham et al. warnen eindringlich vor einer drohenden Katastrophe. Sie fordern den Abbruch der Betriebsversuche, die Entnahme der Brennelemente aus dem Reaktor und ihre Lagerung im Abklingbecken sowie eine Untersuchung durch neutrale Experten. Die Verhandlungen über den Kauf weiterer Reaktoren sollen eingestellt werden.

Die IAEA Statistik dagegen lügt noch immer, Kudankulam 1 sei seit dem 30.Juni 2014 im kommerziellen Betrieb. Die Atomlobby feiert das AKW-Kudankulam als Spitzen-Kraftwerk (Top Plant: Kudankulam Atomic Power Project, Unit 1).

Referenzierte Studien:

Counterfeit/obsolete Equipment and Nuclear Safety issues of VVER-1000 Reactors at Kudankulam, India

REPORT OF THE 14 MAY 2014 ACCIDENT AT THE KUDANKULAM NUCLEAR POWER PLANT

WHAT SPEAKS THE SPEAKING TREE? PERFORMANCE ANALYSIS OF KUDANKULAM REACTOR DURING ITS ONE YEAR OF GRID CONNECTION

 

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