Am 19.März 2015 demonstrierte die rechtsextreme, hindunationalistische Partei „Shiv Sena” in der Bezirkshauptstadt Ratnagiri gegen das AKW Jaitapur. Die lokale Widerstandsbewegung, die ihren Schwerpunkt im muslimischen Fischerdorf Sakhri Nate hat, unterstützte die Shiv-Sena-Demonstration.
Im Vorfeld hatte die Shiv Sena vollmundig die Schließung der NPCIL-Niederlassung in Ratnagiri angekündigt. Die staatliche AKW-Betriebsgesellschaft Nuclear Power Corporation of India Ltd. (NPCIL) bereitet in ihrem Bürogebäude in Ratnagiri den Bau des Atomkraftwerkes in Jaitapur vor.
„Baut das AKW in Gujarat, nicht in Jaitapur!”
Am 19.März versammelten sich mehrere tausend Menschen in Ratnagiri. Aus Nate und Umgebung waren über 1.000 ins sechzig Kilometer entfernte Ratnagiri gekommen. Die Demonstration wurde frühzeitig von der Polizei gestoppt, mehr als 600 Demonstrierende wurden vorübergehend festgenommen. Parlamentarier der Shiv Sena ließen sich medienwirksam wegtragen und gaben noch aus dem Gefangenentransporter Interviews. Sie wiederholten die Forderung ihres Parteiführers Uddhav Thackerey, das AKW nicht in Jaitapur, sondern im benachbarten Bundesstaat Gujarat zu bauen. Die Partei sei nicht grundsätzlich gegen Atomenergie.
Shiv Sena demonstriert gegen sich selbst
Als regionalistische Partei im Bundesstaat Maharashtra wurde die Shiv Sena mit Angriffen gegen MigrantInnen groß, MigrantInnen aus Südindien wie auch aus dem nördlichen Gujarat. Um über Maharashtra hinaus expandieren zu können, setzt sie inzwischen auf die hindunationalistische Karte. Die Shiv Sena ist als Juniorpartnerin sowohl in der Landes- wie auch in der Bundesregierung vertreten. Diese von der ebenfalls hindunationalistischen BJP geführten Regierungen forcieren den Ausbau der Atomenergie, ausdrücklich auch in Jaitapur. Mit populistischen und oft auch militanten Aktionen profiliert sich die Shiv Sena gegenüber der BJP als aktivistische und volksnahe Partei der Tat. Sie unterstützte den Widerstand gegen das AKW Jaitapur und wurde deshalb in der Region auch von MuslimInnen gewählt.
AKW-Bewegung im Schlepptau der Shiv Sena
Die Atom-GegnerInnen aus Nate beteiligten sich an der Shiv Sena Demonstration ohne sich inhaltlich abzusetzen. Sie hatten zunächst eine eigene Demonstration geplant – und dafür auch die Unterstützung der Shiv Sena angefordert. Die Shiv Sena sollte durch praktische Unterstützung und Mobilisierung ihrer Anhänger unter Beweis stellen, dass sie auch nach der Wahl das AKW in Jaitapur ablehnt. Warum dann aber die eigene Aktion zugunsten der Shiv Sena aufgegeben wurde, ist nicht wirklich klar. War es der Druck der Shiv Sena? Oder wurden militante Aktionen befürchtet oder erhofft, für die die Shiv Sena alleine die Verantwortung übernehmen sollte?
Im April 2011 hatte die Shiv Sena in Ratnagiri Straßenschlachten ausgelöst, nachdem bei einer Demonstration in Nate der Fischer Tabrej Sayekar von der Polizei erschossen worden war.
Im März 2015 mobilisierte die Shiv Sena jedoch nur halbherzig und bei der Demonstration unternahm sie nichts, um die NPCIL-Niederlassung in einer direkten Aktion zu schließen. Die Shiv Sena wirkte schwach.
Kein Baubeginn in Sicht
Es bleibt ein schaler Nachgeschmack. Die Bewegung gegen das AKW Jaitapur machte sich bei der Demonstration in Ratnagiri zum Anhängsel der Shiv Sena. Für die Kooperation mit Anti-Atombewegungen in anderen Teilen Indiens und darüber hinaus ist das kein positives Signal.
Trotz der Schwäche der Bewegung, wird in Jaitapur nicht so schnell gebaut werden. Areva will den Bau von AKWs aufgeben und nur noch Komponenten liefern (Netzwerk IT 22.3.2015). Wer wird das Jaitapur-Projekt übernehmen? Dazu gibt es in der Öffentlichkeit noch nicht einmal Spekulationen.
Einen Erfolg hatte die Aktion am 19.März: Neben den Bauplätzen für das AKW und für die AKW-Siedlung bei Jaitapur wurde die Niederlassung der NPCIL in Ratnagiri als Ziel für Anti-Atom-Aktionen markiert.