Atomoffensive in Indien?

Im Februar titelte die Frankfurter RundschauNach Jahren der Atom-Ablehnung – Diese Regierung wendet sich der Kernkraft zu“. Die indische Regierung vollziehe eine Kehrtwende. Das Handelsblatt schrieb: “Indien startet Atomoffensive“. Die Zeitungsberichte knüpfen an die diesjährige Haushaltsdebatte im indischen Parlament an. Das Budget 2025/2026 sieht gut zwei Milliarden Euro Subventionen für den Bau und die Entwicklung kleiner Reaktoren vor. Dies ist die einzige neue Maßnahme.

Darüber hinaus hat die Regierung im Rahmen der Haushaltsdebatte ihre Pläne zur Atomenergie zusammengefasst. Die Atomenergiekapazität soll bis zum 100-jährigen Bestehen der Republik Indien im Jahr 2047 auf 100 GW ausgebaut werden. Technologisch setzt die Regierung auf kleine Reaktoren (SMR), wirtschaftlich auf Privatisierung. Unterstützung erhofft sich die indische Regierung auch von internationalen Partnern. Rechtliche Hürden sollen abgebaut werden.

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SMR – Hype

Kleine Reaktoren sind ein wesentlicher Baustein im indischen Atomprogramm. Im aktuellen Budget sind umgerechnet etwa 2 Milliarden Euro für die Entwicklung und Förderung kleiner Reaktoren vorgesehen (DAE 3.2.25).

Zurück zu 220 MW Reaktoren

Indien hat Erfahrung mit kleinen Reaktoren: Vierzehn kleine 220-MW-Schwerwasser-Reaktoren (Indian Pressurized Heavy Water Reactor, IPHWR-220) sind derzeit in Betrieb. Vor zwanzig Jahren wurde ihre Kapazität in neuen Versionen zunächst auf auf 540 und dann auf 700 MW erhöht, um die Kosten zu senken (‘Economies of size’). Die IPHWR-700 sind heute der Stand der Technik. Die Nuclear Power Corporation of India NPCIL vergibt zur Zeit Aufträge für zehn dieser Reaktoren (NPCIL). Mit dem SMR-Hype erlebt die alte Version eine Renaissance. Nach einem Redesign soll sie nun als BSR-220 gebaut werden (NPCIL RFP 31.12.24).

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Privatisierung

Die indische Regierung setzt auf privates Kapital, um den enormen Kapitalbedarf für den Ausbau der Atomenergie zu decken. Schätzungen von rund 160 Milliarden Euro dürften interessengeleitet zu niedrig angesetzt sein (EconomicTimes 17.3.25). Die Regierung betreibt die schrittweise Öffnung des Atomsektors für das Privatkapital.

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Internationale Kooperation

Indien strebt internationale Partnerschaften für den Bau kleiner und großer Reaktoren an. Konzerne in Russland, Frankreich, Korea und in den USA kommen dafür in Frage. Die Zusammenarbeit mit Russland funktioniert seit Jahrzehnten, zivil und militärisch. Die 2008 im Zuge der Aufhebung des Atomembargos zugesagten Geschäfte mit Frankreich und USA kamen dagegen nicht zustande, obwohl Konzernen wie GE, Westinghouse und Areva/EDF schon Standorte zugeordnet waren. Der SMR-Hype steht auch bei der internationalen Kooperation im Vordergrund.

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Liberalisierung

Um privatwirtschaftliche Investitionen und Kooperationen mit internationalen Konzernen zu fördern, verspricht die indische Regierung Änderungen im Haftungsrecht. Auch die Grenzwerte für die Strahlenbelastung der Bevölkerung werden in Frage gestellt.

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22 GW Atomstrom in 2032 – Wirklich?

Wie glaubwürdig die Ankündigung von 100 GW im Jahr 2047 ist, lässt sich kaum beurteilen, da nichts Greifbares vorliegt. Aber wie sieht es mit den ganz konkreten Plänen für die nächsten Jahre aus? Sind sie realistisch?

Die noch vor zehn Jahren von der indische Regierung angekündigten 63 GW Atomstrom für das Jahr 2032 erwiesen sich als Luftnummer. Wer sich für Details der damaligen Planung interessiert, kann diese in einem Artikel von Dr Kapil Patil nachlesen (VIFIndia 3.1.18). Statt 40 GW Kapazität von importierten Leichtwasser-Reaktoren wird es maximal die knapp 6 GW des russischen AKW Kudankulam geben.

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Widerstand an allen neuen AKW-Standorten

Jaitapur 25.1.2014

Wo Atomkraftwerke die Lebensgrundlagen der Menschen gefährden, sei es durch Landnahme oder durch Verseuchung und Erwärmung des Meeres, regt sich lokaler Widerstand. Die AKW-Projekte an den Orten des Widerstands sind unterschiedlich weit fortgeschritten. An einigen Orten kämpfen die Menschen seit Jahren mit wechselndem Erfolg gegen die AKWs, an anderen regt sich gerade der erstmals Protest. Die AKWs in Gorakhpur, Banswara und Chutka sind Teil der Planung für 2032, an den anderen Standorten wurden noch nicht einmal Bodenuntersuchungen durchgeführt.

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Mehr CO2, mehr Risiken

Wie im Beitrag zu den Beitrag zu den Plänen für 2032 gezeigt, sind nicht einmal die kurzfristigen Pläne realistisch. 100 GW im Jahre 2047 sind pures Wunschdenken der indischen Regierung. Falsche Prognosen zu künftigen Atomenergiekapazitäten sind nichts Neues. Bislang konnten sie ignoriert werden, entscheidend war alleine, was tatsächlich geschah. Aber diesmal ist es anders.
Das 100-GW-Ziel wirkt doppelt katastrophal: Die Reduktion des CO2-Austoßes wird behindert. Leben und Gesundheit aller Menschen werden aufs Spiel gesetzt, wenn Privatisierung und Liberalisierung angegangen werden.

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Atomindustrie für atomare Aufrüstung

“Das indische Atomenergieprogramm dient dem Aufbau einer einheimischen Atomindustrie mit dem Ziel, langfristig die indische Kriegsmarine atomar aufzurüsten. Dabei geht es nicht um Atomwaffen, sondern um durch Atomreaktoren angetriebene U-Boote, Flugzeugträger und Kriegsschiffe.” (Anti-Atom Indien 2018)

Atomar angetriebene U-Boote sind eine wichtige Säule für die Zweitschlagfähigkeit von Atommächten. Indiens Atom-U-Boot-Flotte wächst zügig. Indien rüstet am Golf von Bengalen nuklear auf (Telepolis 10.6.24). Es gilt immer noch, dass Atomenergie für die Stromversorgung der Bevölkerung nicht gebraucht wird. Als eigenständige Atommacht möchte die indischer Regierung nicht von anderen Großmächten abhängig sein. Deshalb fördert sie den Auf- und Ausbau der einheimischen Atomindustrie. Die Vergabe von Aufträgen für gleich zehn Reaktoren sind ein Beispiel. Dass beim AKW Kudankulam längere Ausfallzeiten und Verzögerungen bei der Fertigstellung in Kauf genommen wurden, um Personal auszubilden und indische Komponenten verwenden zu können, zeigt ebenfalls wo die Prioritäten liegen.

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Anti-Atom-Bewegung(en) gegen eine Atommacht

“NTPC ist auf der Suche nach Land für seine ambitionierten Nuklearpläne, doch ist mit lokalem Widerstand zu rechnen.” (ANS 19.2.25)

Flugzeug der Küstenwache bedroht Menschen in Kudankulam am 13.September 2012

“Widerstand an allen neuen AKW-Standorten Indiens”, haben wir in dieser Reihe den Beitrag über die Bewegungen vor Ort überschrieben. Vor zwölf Jahren veröffentlichten wir eine Beitrag mit gleichem Titel. Oft wehren sich die Menschen vor Ort zunächst gegen Enteignung und Vertreibung, informieren sich dann aber mit Hilfe von Aktivist*innen über die Auswirkungen von AKWs. Die indische Anti-Atom-Bewegung hat ihre Stärken im lokalen Protest. Mensch könnte in Indien auch von Anti-Atom-Bewegungen im Plural sprechen, da der  Widerstand stark lokal oder regional geprägt ist und auf nationaler Ebene nur lose Netzwerke von Aktivist*innen bestehen.

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