Privatisierung

Die indische Regierung setzt auf privates Kapital, um den enormen Kapitalbedarf für den Ausbau der Atomenergie zu decken. Schätzungen von rund 160 Milliarden Euro dürften interessengeleitet zu niedrig angesetzt sein (EconomicTimes 17.3.25). Die Regierung betreibt die schrittweise Öffnung des Atomsektors für das Privatkapital.

Der größter Stromproduzent NTPC

Bisher hatte die Nuclear Power of India Ltd (NPCIL) ein Monopol auf die Erzeugung von Atomstrom. Dieses Monopol wurde in einem ersten Schritt aufgeweicht, indem Kooperationen mit (halb)staatlichen Unternehmen ermöglicht wurden. Die National Thermal Power Corporation (NTPC), Indiens größter Stromproduzent, gehört zu 51 Prozent dem indischen Staat. Im vergangenen Jahr gründeten NPCIL und NTPC das Joint Venture ASHVINI. Dieses soll zunächst vier 700-MW-Reaktoren in Banswara in Rajasthan bauen und betreiben. (PowerTechnology 18.9.24)

In den nächsten 20 Jahren will die NTPC 62 Mrd. USD in 30 GW Kernkraft investieren.  Atomkraftwerke – hauptsächlich, aber nicht nur SMR – sollen die Kohlekraftwerke der NTPC ersetzen (CNBC 17.2.25). Das Geschäftsmodell der NTPC bewirkt, dass die Kosten der Atomkraftwerke auf die Verbraucher abgewälzt werden. Es wird geschätzt, dass das AKW Banswara den regulierten Eigenkapitalanteil um 5,8 Prozent erhöht (NDTV 20.2.25). Als reguliert gilt der Anteil des Eigenkapitals, dessen Mindestverzinsung staatlich garantiert ist. Entsprechende Tarifanpassungen machen’s möglich.

Indische Staatsbahn

Auch die indische Staatsbahn strebt an, einen Teil ihres Energiebedarfs aus eigenen Atomkraftwerken zu decken, um den Anteil an “sauberer Energie” zu erhöhen. Verhandlungen mit den zuständigen Ministerien sind im Gange. Die Bahn betont, dass sie über genügend Land für Atomkraftwerke verfüge. Jedes Bahnticket würde dann zur Finanzierung der Atomenergie beitragen. (EconomicTimes 10.2.25)

Milliardäre und Großkonzerne

Anfang 2024 nahm die indische Regierung Gespräche mit Unternehmen wie Reliance Industries, Tata Power, Adani Power und Vedanta Ltd. auf, um Investitionen in Höhe von rund 26 Mrd. USD zu gewinnen (Reuters 21.2.24). Ende 2024 veröffentlichte die NPCIL einen “Request for Proposals” für den Bau und die Finanzierung von 40 bis 50 kleinen Reaktoren des Typs BSR-220, einer aufgepeppten Version des alten 220-MW-Schwerwasser-Reaktors (siehe SMR-Hype). Diese Reaktoren sollen vor allem den Eigenbedarf der Unternehmen decken. Private Unternehmen sollen Grundstücke, Kühlwasser und Kapital bereitstellen, die NPCIL übernimmt dann Qualitätssicherung, Betrieb und Wartung. (NeutronBytes 3.1.25, NPCIL RFP 31.12.24)

Indiens Milliardäre und Großkonzerne zeigen Interesse an einer weitergehenden Privatisierung. Jindal Nuclear Power Private Limited hat bereits ein neues Tochterunternehmen gegründet. Jindal wil in den nächsten zwanzig Jahren etwa 21 Milliarden USD investieren und Atomkraftwerke, auch SMR, mit einer Kapazität von insgesamt 18 GW bauen (WNN 11.2.25). Adani Power spricht von 30 GW Atomenergie, um seine Kohlekraftwerke zu ersetzen (EconomicTimes 22.2.25). Vedanta Ltd. will Atomkraftwerke mit 5 GW schlüsselfertig kaufen (EconomicTimes 21.2.25). Reliance Industries will in Assam AKWs bauen (Fortune 25.2.25). Auch Tata Power will mit SMRs in den zivilen Atomsektor einsteigen, nennt aber noch keine Kapazitäten und fordert zunächst eine Änderung der Atom- und Haftungsgesetze (Hindu 4.2.25).

Politik

Prompt kündigte die indische Finanzministerin Nirmala Sitharaman die geforderten Gesetzesänderungen an, um eine vollständige Privatisierung zu ermöglichen (EconomicTimes 17.3.25) und auch den Import von Atomtechnologie  zu fördern. Das Atomenergiegesetz verbietet private Beteiligungen an der atomaren Stromerzeugung. Eine Lockerung des Gesetzes im Jahr 2016 erlaubte Jointventures mit anderen staatlichen Unternehmen. Bis zur Gründung des ersten Jointventures (ASHVINI) auf der Basis der damaligen Gesetztesänderung vergingen acht Jahre. Die nun angestrebte Gesetzesänderung wird privaten Unternehmen erlauben, Atomkraftwerke zu planen, zu bauen und zu betreiben. Darüber hinaus fordert Amit Sharma, CEO bei Tata Consulting Engineers, “behördlichen Genehmigungen für eine schnellere Einführung fortschrittlicher nuklearer Lösungen zu straffen” (EconomicTimes 17.3.25). Im Departement of Atomic Energy (DAE) wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Novellierung des Gesetzes vorbereiten soll (DAE 20.3.25). Die geplanten Änderungen des Haftungsgesetzes werden im Beitrag zur Liberalisierung behandelt.

Reorganisation des Atomenergie-Sektors

In Indien wird der Atomsektor neu geordnet. NTPC könnte der dominierende Betreiber von Atomkraftwerken werden. Wie weit die Privatisierung gehen kann, hängt auch von den Gesetzesänderungen ab, aber die staatliche Förderung und Unterstützung der Atomenergie wird in irgendeiner Form erhalten bleiben. Ohne staatliche Profitgarantien wird kein privatkapitalistisches Unternehmen in Atomkraftwerke investieren.

Verzeichnis aller Beiträge zu Atom-Indien 2025