Mehr CO2, mehr Risiken

Wie im Beitrag zu den Beitrag zu den Plänen für 2032 gezeigt, sind nicht einmal die kurzfristigen Pläne realistisch. 100 GW im Jahre 2047 sind pures Wunschdenken der indischen Regierung. Falsche Prognosen zu künftigen Atomenergiekapazitäten sind nichts Neues. Bislang konnten sie ignoriert werden, entscheidend war alleine, was tatsächlich geschah. Aber diesmal ist es anders.
Das 100-GW-Ziel wirkt doppelt katastrophal: Die Reduktion des CO2-Austoßes wird behindert. Leben und Gesundheit aller Menschen werden aufs Spiel gesetzt, wenn Privatisierung und Liberalisierung angegangen werden.

Falsche Ankündigungen sind normal

Die indische Atomindustrie ist für ihre größenwahnsinnigen Prognosen bekannt. The Power of Promise (“Die Macht der Versprechungen”) hat M.V.Ramana sein zum Klassiker gewordenes Buch über die indische Atomindustrie genannt. Nur wenige Beispiele:

2008 schlossen Indien und die USA einen Vertrag ab, der den Import von Uran und Atomreaktoren frei gab. Daraufhin kündigte der damalige Premierminister Manmohan Singh für 2050 eine Atomkraftkapazität von 470 GW an (Ramana 2009, s.4). Die Prognosen einer Expertengruppe der Planungskommission wenige Jahre zuvor waren im Vergleich dazu zurückhaltend (Report 2006, s.71):

* Annahme ist der Import von 8,000 MW LWR inklusive Brennstoff für 10 Jahre

Vor diesem Hintergrund wirkt die Ankündigung von 100 GW nicht gerade offensiv. Der tatsächliche Ausbau der Atomenergie blieb stets weit hinter den Prognosen zurück und beträgt  2025 gerade mal 7,5 GW (siehe dazu die Pläne für 2032).

Falsche Ankündigungen schaden dem Klima

331 GW im Jahre 2070 empfiehlt eine von der indischen Atomindustrie mitfinanzierte Studie des wissenschaftlichen Dienstes der indischen Regierung (WNN 5.4.24, Studie 2024). Nur mit dem massiven Ausbau der Atomenergie lasse sich das Versprechen halten, bis 2070 den Kohlenstoffausstoß auf Null zu senken. Die indische Regierung wird das selbst gesetzte Klimaziel nicht erreichen, wenn sie dafür zu relevanten Teilen auf Atomkraft setzt. Selbst Atomkraftbefürworter halten den extrem schnellen Ausbau für unrealistisch (vgl. Aswal/Chandra 2024).

Es ist einfach auch nicht richtig, Atomstrom als CO2-neutral auszugeben und den kompletten Zyklus vom Uranabbau bis zur Lagerung des Atommülls zu ignorieren. Die Pläne der indischen Regierung beruhen auf unausgereiften Technikideen und überaus vagen Kostenschätzungen. Die Finanzierung ist ungeklärt, die industrielle Basis fehlt. Konkrete, geschweige denn plausible, Szenarien (was, wann, wo, wer, wie) konnte niemand entwerfen. Der Markt wird es eben nicht richten, Atomkraft ist schlicht zu teuer und damit nicht konkurrenzfähig. 

Die indische Regierung schürt falsche Hoffnungen auf CO2-Reduzierung durch Atomenergie und blockiert so wirksame Maßnahmen. Es ist absehbar, dass die Nuclear Power of India Ltd (NPCIL) versuchen wird, die Laufzeit ihrer Kohlekraftwerke zu verlängern, da sich der geplante Bau von AKWs –  natürlich vollkommen unerwartet – verzögert. Atomlügen sind natürlich besser als Atomkatastrophen. Mit ihren atomaren Scheinzielen fördert die indische Regierung jedoch die Klimakatastrophe.

Größere Risiken durch Liberalisierung und Privatisierung

Wenn auch nicht im angekündigten Umfang, neue Atomkraftwerke werden gebaut (werden). Auch SMR werden dabei sein, auf jeden Fall als überarbeitete Version der alten 220-MW-Schwerwasser-Reaktoren. Es ist aber auch zu befürchten, dass Indien zum Experimentierfeld für unausgereifte SMR-Technologie wird. Die indische Regierung bereitet dies vor.

Privatisierung heißt Profitmaximierung. Dafür müssen die Kosten gesenkt werden. Liberalisierung macht es möglich: Haftungsrisiken für Lieferanten und Betreiber werden beseitigt. Genehmigungsprozesse werden vereinfacht und Kontrollen reduziert. Erhöhte Strahlenexposition senkt den Aufwand für Schutz und Sicherheit.

Die Parallelen zur Förderung der Atomenergie durch Trump in den USA sind offensichtlich. Laut Trumps Regierungsprogramm Project 2025 sollen das ALARA-Prinzip und das LNT-Modell in den USA nicht mehr gelten. Die US-Aufsichtsbehörde NRC (Nuclear Regulatory Commission) soll künftig Maßnahmen ergreifen, um Innovationen und die Nutzung der Atomenergie im privaten Sektor zu erleichtern statt zu behindern. Genehmigungsverfahren sollen gestrafft werden, um Kosten zu senken und die Entwicklung und Einführung von SMR zu beschleunigen. Die Weltlage hat sich verändert, durchgeknallte Tech-Milliardäre drängen weltweit auf den Ausbau der Atomenergie.

Die indische Regierung handelt im Einklang mit den Mächtigen der Welt. Modi und Trump arbeiten Hand in Hand. Der Import US-amerikanischer Atomtechnologie wird wahrscheinlicher, erste Genehmigungen sind erteilt. Ob Import oder Eigenentwicklung: Katastrophen sind vorprogrammiert.

Verzeichnis aller Beiträge zu Atom-Indien 2025