22 GW Atomstrom in 2032 – Wirklich?

Wie glaubwürdig die Ankündigung von 100 GW im Jahr 2047 ist, lässt sich kaum beurteilen, da nichts Greifbares vorliegt. Aber wie sieht es mit den ganz konkreten Plänen für die nächsten Jahre aus? Sind sie realistisch?

Die noch vor zehn Jahren von der indische Regierung angekündigten 63 GW Atomstrom für das Jahr 2032 erwiesen sich als Luftnummer. Wer sich für Details der damaligen Planung interessiert, kann diese in einem Artikel von Dr Kapil Patil nachlesen (VIFIndia 3.1.18). Statt 40 GW Kapazität von importierten Leichtwasser-Reaktoren wird es maximal die knapp 6 GW des russischen AKW Kudankulam geben.

Propagandazahlen

Stand April 2025 rechnet die indische Regierung für 2032 noch mit 22 GW (DAE 17.3.25 und NPCIL Projects):

Das sind geschönte Zahlen. Die indische Regierung veröffentlicht notorisch die Bruttokapazität, d.h. sie rechnet den Eigenverbrauch der AKWs mit ein. Selbst die World Nuclear Association arbeitet mit Nettowerten (WNA India 26.3.25). Die indische Regierung zählt auch Reaktoren mit , die offiziell stillgelegt wurden (RAPS 1) oder seit Jahren keinen Strom mehr liefern (TAPS 1&2 und MAPS 1). Siehe dazu den World Nuclear Industry Status Report 2024. Tatsächlich sind 21 Reaktoren mit einer (Netto-)Kapazität von 7.550 MW in Betrieb.

Schnelle Brüter außen vor

Nicht berücksichtigt ist der schnelle Brüter PFPR (Prototype Fast Breeder Reactor) mit 500 MW Bruttoleistung, an dem seit 2004 in Kalpakkam / Tamil Nadu gebaut wird. Ursprünglich sollte er sechs Jahre nach Baubeginn in Betrieb gehen. Mit schöner Regelmäßigkeit wird der Betriebsbeginn verschoben, zuletzt um ein Jahr auf Ende 2026 (Hindu 19.4.25). Der PFPR gehört nicht zum Portfolio der NPCIL, er wird von einer eigenen Staatsfirma, BHAVINI, gebaut. Weitere Schnelle Brüter werden seit Jahren angekündigt. Eine Realisierung ist nicht absehbar.

AKW Kapazitäten in Betrieb, Bau und Planung

In der folgenden Tabelle sind AKW-Standorte mit der Gesamtkapazität (MW) aller Reaktoren am jeweiligen Standort aufgeführt. Neue Standorte sind kursiv hervorgehoben. Die Tabelle basiert auf aktualisierten Angaben der NPCIL (AKWs und Status NPCIL) und der WNA (Nettokapazitäten Nuclear Power in India 26.3.25).

Bauzeit mindestens 10 Jahre

Am 17.März 2025 nahm der 7. Reaktor des AKW in Rawatbhata/Rajasthan (RAPS-7) den kommerziellen Betrieb auf. Mit dem Bau war 2011 begonnen worden, eine Bauzeit von über 13 Jahren. 2024 ging KAPS-4 in Kakrapar/Gujarat in Betrieb. Baubeginn war 2010, Bauzeit auch über 13 Jahre. 2023 ging KAPS-3 in Betrieb, Baubeginn ebenfalls 2010, Bauzeit fast 13 Jahre. Bei allen drei Reaktoren handelt es sich um indische 700-MW-Schwerwasser-Reaktoren (IPHWR-700). Die durchschnittliche Bauzeit aller in Indien bislang fertiggestellten Reaktoren beträgt mehr als 10 Jahre. Die  Daten für die Bauzeiten stammen aus Wikipedia.

Planung unrealistisch:  Statt 22 GW höchstens 13 GW

Damit ist die Aussage gerechtfertigt, dass AKW-Blöcken, die 2032 in Betrieb gehen sollen, heute zumindest offiziell in Bau sein müssen. In Bau sind laut NPCIL drei indische Reaktoren mit einer Nettokapazität von jeweils 630 MW und vier russische VVER-1000-Reaktoren mit einer Nettokapazität von jeweils 917 MW. Der Ausbauplan der indischen Regierung ist somit schon heute gescheitert: 2032 wird die Atomkapazität Indiens nicht 22 GW, sondern höchstens 13,1 GW betragen.

Wenn die sieben Reaktoren, die derzeit gebaut werden (1 in Rawatbhata, 2 in Gorakhpur 4 in Kudankulam), in den nächsten 7 Jahren tatsächlich ans Netz gehen sollten, so wäre das eine deutliche Steigerung der Atom-Kapazität um 5.558 MW. In den vergangenen sieben Jahren betrug der Zuwachs netto nur 1.385 MW, drei Reaktoren fielen weg, drei Reaktoren mit größerer Kapazität kamen hinzu.

Flottenmodus garantiert Großaufträge

Zehn Reaktoren sollen im ‘Flottenmodus’ (‘Fleet mode’) gebaut werden. In der Tabelle sind das alle Reaktoren in Planung. Für die Industrie lohnt sich der Aufbau von Produktionskapazitäten natürlich eher, wenn gleich zehn Komponenten bestellt werden. Bei der NPCIL wird noch an der Auftragsvergabe gearbeitet. Es spricht rein gar nichts dafür, dass diese Reaktoren 2032 Strom liefern werden.

Zuwachs hauptsächlich importiert

Zwei Drittel des Zuwachses bringen die aus Russland importierten VVER-Reaktoren. Russland ist für Indien auch ein wichtiger Partner in der Rüstung, die U-Boot- Reaktoren konnten nur mit russischer Hilfe gebaut werden.

Weitere Importe von Leichtwasser-Reaktoren stehen derzeit nicht an. Mit EDF wird über technische Details für Jaitapur geredet, mit Westinghouse wird über Kovvada diskutiert. Das letzte Wort ist da aber noch nicht gesprochen. Jaitapur wird explizit für 2047 angekündigt (siehe dazu den Beitrag zur Internationalen Kooperation).

Verzeichnis aller Beiträge zu Atom-Indien 2025