Unbefristeter Hungerstreik gegen Atomkraftwerk Kudankulam

In Idinthakarai, einem Fischerdorf in der Nähe des Atomkraftwerkes Kudankulam traten heute, am 31.Januar 2014, vier Frauen und sieben Männer in einen unbefristeten Hungerstreik.

Idinthakarai, 31.1.14, Foto by Amirtharaj Stephen

Idinthakarai, 31.1.14, Foto by Amirtharaj Stephen

Sie fordern, die Aufgabe der Pläne für Kudankulam 3 und 4, eine unabhängige Untersuchung der Probleme bei den Anlagen Kudankulam 1 und 2, die Veröffentlichung von Evaluations-Berichten, die Offenlegung von Haftungsvereinbarungen sowie die Einstellung der zahlreichen Verfahren gegen Atomkraft-GegnerInnen.

Die Forderungen der Hungerstreikenden im Einzelnen:

1. Aufgabe von Kudankulam 3 und 4

In Kudankulam stehen bereits zwei Blöcke. Der russische Atomkonzern Rosatom und die indische, staatliche AKW-Betreibergesellschaft NPCIL verhandeln über die Lieferung von zwei weiteren AKWs nach Kudankulam. Insbesondere wegen des indischen Atomhaftungsgesetzes von 2010 verzögert sich der Vertragsabschluss. Das Gesetz sieht vor, dass auch Lieferanten im Katastrophenfall in Regress genommen werden können. Beide Seiten arbeiten an einer rechtlich unanfechtbaren Umgehung des Gesetzes. Im Gespräch ist die Verschiebung des Haftungsrisikos zu einer indischen staatlichen Versicherungsgesellschaften.

2. Eine unabhängige und unparteiische Untersuchung von Kudankulam 1 und 2 – wegen ernsthafter Probleme, Korruptionsvorwürfen und Verwendung minderwertiger Komponenten. Und die dauerhafte Stilllegung der beiden Blöcke, falls sich diese Vermutungen bestätigen.

Manager russischer Zulieferer stehen wegen Korruption vor Gericht. Zio Podolsk etwa soll bei wichtigen Komponenten minderwertiges Material verwendet haben. Die Verkabelungen für die Stromversorgung und für die IT-Systeme sollen fehlerhaft sein. Schweißnähte im mittleren Bereich der Reaktorkessel entsprechen nicht den Vorgaben.

Der erste Block ging am 22.Oktober 2013 zum ersten Mal ans Netz. Seither fiel die Stromlieferung wegen Problemen im Reaktor, bei Turbinen oder bei der Wasserzufuhr und wegen angeblicher Tests insgesamt acht mal aus. Nur ein Test war vor dem Ausfall angekündigt worden, bei den anderen handelt es sich um nachgeschobene Erklärungen für das Versagen des AKWs. Seit mehr als einem Jahr wird die kommerzielle Inbetriebnahme für den jeweils nächsten Monat angekündigt und dann immer um einen Monat verschoben. Noch wird der Februar 2014 angekündigt. Am 29.Januar 2014 ist die Stromproduktion allerdings wegen Turbinenproblemen zusammengebrochen.

3. Herausgabe von Berichten zu Standortbewertung, Sicherheitsanalyse, VVER-Reaktor-Leistung, etc. an die lokale Bevölkerung – wie von der zentralen Informationskommission in Neu Delhi angeordnet.

Wichtige Unterlagen werden gegenüber den betroffen Menschen in der Region verheimlicht. In Indien gibt es ein Recht auf Informationen gegenüber staatlichen Stellen. Die AKW-Betreiber fordern für sich eine Ausnahme und weigern sich – trotz Anordnung – relevante Unterlagen herauszugeben.

4. Vollständige Offenlegung aller Haftungsvereinbarungen, die für den Verlust der Existenzgrundlagen von Bauern und Fischern und bezüglich Sicherheitsfragen getroffen wurden.

Für Kudankulam 1 und 2 gilt noch nicht das Atomhaftungsgesetz von 2010, Baubeginn war 2001. Die Vereinbarungen mit den Lieferanten werden bis heute verheimlicht. Es geht nicht nur um den Katastrophenfall, sondern auch um die Zerstörung der Lebensgrundlagen, etwa durch die Aufheizung des Meeres durch das Kühlwasser.

5. Einstellung aller Verfahren gegen die AKW-GegnerInnen. In 360 Verfahren werden 227.000 Frauen und Männer mit falschen Anschuldigungen verfolgt.

Die AKW-GegnerInnen werden schwerster Vergehen beschuldigt, z.B. des bewaffneten Aufruhrs gegen den Staat. Dass die Anti-Atombewegung sich der Gewaltfreiheit im Sinne Gandhis verschrieben hat, spielt dabei keine Rolle. In seinem Pro-Atom-Urteil vom Mai 2013 hatte das Oberste Gericht als Befriedungsmaßnahme die Einstellung der Verfahren gefordert. Die Regierungsbehörden verweigern die Umsetzung, weil dafür die Zeit nicht reif sei, solange es weiterhin zu (Hunger-)Streiks gegen das AKW käme.

Die hohe Zahl der Beschuldigten erklärt sich durch Anzeigen, etwa gegen Frau A und Herrn B „sowie 4000 weitere” TeilnehmerInnen einer Aktion. Diese Form der Verfolgung führt zu einer anhaltenden Unsicherheit in der Bevölkerung, weil mensch jederzeit mit einer Identifizierung als eine/r der Vielen rechnen muss. Bekannte AktivistInnen verstecken sich vor der Staatsgewalt.

900 Tage KettenfastenDer unbefristete Hungerstreik begann am 900. Tag der Ketten-Fasten-Aktion (Menschen wechseln sich beim befristeten Fasten ab). Es ist der fünfte unbefristete Hungerstreik seit Beginn der Anti-AKW-Kampagne im Sommer 2011. Der erste Hungerstreik im Herbst 2011 endete mit der Zusage eines Moratoriums. Mit Straßenblockaden wurde dieses dann durchgesetzt. Der letzte und bislang größte unbefristete Hungerstreik mit über 300 Teilnehmenden im Mai 2012 erreichte seine Ziele, die Aufhebung des Belagerungszustandes und Freilassung der Gefangenen, nur zum Teil. Die Gefangenen kamen erst im Laufe der folgenden Monate frei, und der Belagerungszustand hält an.

 Quellen: DiaNuke.org und ChennaiOnline

 Hintergrundinformationen unter dem Stichwort “Kudankulam” auf Indien.Antiatom und NetzwerkIT