Proteste gegen indisches Atomprogramm während COP21

Die indische Regierung propagiert den Ausbau der Atomenergie als Maßnahme gegen den Klimawandel. In ihrer Absichtserklärung zum Klimagipfel in Paris kündigt sie eine Vervielfachung der heutigen Atomkraft-Kapazität an: von heute 5,7 GW auf 63 GW im Jahre 2032. Dazu müssten sechzig neue Atomkraftwerken gebaut werden. Mindestens dreißig dieser AKWs sollen importiert werden. Ein Riesengeschäft für die internationale Atomindustrie.

Protest vor Areva-Zentrale

Der französische Staatskonzern Areva möchte mit dem Bau von sechs EPR-AKWs in Jaitapur seinen Anteil an diesem Geschäft sichern. Für Aktivist/innen aus vier Ländern war das der Anlass, am 10.Dezember 2015 die Areva Zentrale in Paris aufzusuchen. Vor dem Eingang des schwarzen Areva-Turms in La Defense forderten sie Areva auf, den Uranabbau einzustellen. Den Beschäftigten überbrachten sie aus Jaitapur den Appell „Arbeitet nicht für Atomkraft“. Die Protestierenden solidarisierten sich mit dem Widerstand in Jaitapur. Areva-Beschäftigte quittierten den Protest mit blödem Grinsen. Die in La Defense patrouillierenden Uniformträger ignorierten die Aktivist/innen (Bild 1).

Bild 1: Protest vor der Areva-Zentrale

Bild 1: Protest vor der Areva-Zentrale

Wegen seiner Katastrophenprojekte in Olkiluoto und Flamanville muss Areva den AKW-Bau an die Électricité de France (EDF) abgeben. EDF soll die neuen AKWs in Hinkley-Point bauen und dann vermutlich auch die in Jaitapur.  Die Aktivist/Innen hielten daher auch im Eingangsbereich des nur wenige hundert Meter entfernten Hochhauses der EDF eine Kundgebung ab. Ein EDF-Angestellter störte mit doofen Zwischenrufen die Verlesung des Appells aus Jaitapur. Ansonsten gab es keine Probleme. Die Staatsgewalt hielt sich raus. Lediglich ein ziviler Staatsdiener hatte die Aktivist/innen nach ihren Plänen gefragt. Er hatte sich spätestens in La Defense an die Fersen der Aktivist/innen aus dem Wendland geheftet. Gestört hat er aber nicht.

Bild 2: Eingangsbereich der EDF

Bild 2: Eingangsbereich der EDF

Vor einer Demonstration weiß man nicht, ob man dafür, dass man seine Meinung äußern wird, im Knast landet oder nur geräumt wird – oder die Meinungskundgabe gar toleriert wird. Das ist ein Merkmal von Willkür, der Bürger weiß nicht was auf ihm zukommt. Staatliches Handeln wird weder begründet, noch ist es berechenbar.“ (Cecile Lecomte über den Ausnahmezustand in Frankreich)

Don’t nuke the climate!

Die Ankündigung von zivilem Ungehorsam genügte für die Genehmigung der Demonstration in der Nähe des Arc de Triomphe. Die Staatsgewalt wollte keine Bilder wie am 29. November, wo es zu massiven Ausschreitungen der Polizei gekommen war (siehe Democracy Now). Mehr als Zehntausend vorwiegend junge Menschen demonstrierten für ein Ende der fossilen Wirtschaft. Eine Minderheit forderte auch den Ausstieg aus der Atomkraft. Rote Schirme und Bänder sollten eine rote Linie symbolisieren, Blumen an die Opfer des Klimawandels erinnern (Bilder 3,4,5).

Vom Arc de Triomphe zogen die Zehntausend zum Eiffelturm – zunächst auf dem Gehweg und dann als ganz normale, offensichtlich geduldete, Demonstration.

Auf einem kleinen Poster, wurde die Schließung des AKW Kudankulam gefordert (Bilder 6 und 7). Kudankulam kannte natürlich kaum jemand, aber etliche fragten nach. 

Kundgebung im Käfig

Am Fuße des Eiffelturms war eine große Bühne für die Abschlusskundgebung aufgebaut. Das Gelände darum herum war mit Gittern weiträumig abgesperrt. Ordner/innen dirigierten die Menge zu den Polizei-Kontrollpunkten (Bild 8) . Wer zu der Kundgebung wollte, musste sich einer Leibesvisitation unterziehen. Taschen wurden kontrolliert. (Bilder 9,10) Getränkedosen sowie Transparent- und Fahnenstangen durften nicht mitgeführt werden (Bild 11).

Einige junge Männer mussten sich auch ausweisen. Die meisten Demonstrant/innen ließen die Prozedur klaglos über sich ergehen. Ordner/innen rechtfertigten die polizeistaatlichen Kontrollen als Preis für die Genehmigung der Kundgebung. Vom auf dem Plenum am Vorabend großspurig angekündigten zivilen Ungehorsam keine Spur. Nach der Kundgebung zogen die Teilnehmer/innen mit eingerollten Transparenten und ohne einen Mucks von dannen, ganz wie von der Polizei gewünscht.

Atomindustrie jubelt

Dabei braucht es doch jede Menge Ungehorsam, Widerstand und direkte Aktionen, wenn die Klimakatastrophe noch begrenzt werden soll. Das Pariser Abkommen jedenfalls leistet keinen Beitrag. Es stützt die nationalen Absichtserklärungen, deren Umsetzung eine Erwärmung um mindestens drei Grad bewirken würde.

Die New York Times spekuliert, das Abkommen könnte ein Signal an die Finanz- und Energiemärkte sein, Investitionen weg von Kohle, Öl und Gas als Primärenergieträger hin zu Wind Sonne und Atom zu verlagernDie Atomindustrie hat allen Grund zu jubeln.:

„Die Botschaft der Klimakonferenz COP21 ist eindeutig: Es ist an der Zeit, Investitionen und Finanzmittel von kohlenstoffintensiven fossilen Energieträgern in den Bau von Kernkraftwerken der neuen Generation zu verlagern, um unsere zukünftige Energieversorgung zu sichern.“ (Danny Roderick, Chef von Westinghouse, am 15.12.15)

Noch bevor die Klimakonferenz zu Ende war, haben sich die indische und japanische Regierung auf ein Abkommen zum Atomhandel geeinigt. Ein kleiner Schritt zur Umsetzung des Pariser Abkommens, ein großer Schritt für den Export von Atomtechnologie nach Indien. Das Abkommen ist noch nicht unterzeichnet und noch nicht von den Parlamenten abgesegnet. (Genaueres dazu auf Dianuke.org)

Kohle, Gas, Öl und Uran müssen in der Erde bleiben. Das ist für viele Klima-Aktivist/innen noch keine Selbstverständlichkeit. Deshalb war es wichtig, dass in Paris auch Atom-Gegner/innen Flagge zeigten.

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