Kudankulam 3 und 4: Eine Win-Win-Situation im Sinne der Kudankulam-Strategie

Lange habe ich die Strategie der Atomindustrie in Kudankulam nicht verstanden: Warum wurden gleich zwei AKWs gebaut und warum wurden zwei weitere bestellt, bevor das erste Strom liefern konnte.

Ich dachte an Korruption, Verantwortungslosigkeit und Profitgier der Atommafia. Ich vermutete, der zweite Block diene als Ersatzteillager für den ersten. Ich nahm an, die dritte und vierte Anlage seien Hals über Kopf bestellt worden, bevor allzu offensichtlich würde, dass man Schrott einkaufte. Alles Quatsch! Bullshit! Bösartige Unterstellungen notorischer Wachstumsfeinde! Der Nebel in meinem Kopf hat sich gelichtet. Ich habe mich geirrt. Ich muss mich bei den genialen Planern des AKW Kudankulam entschuldigen, ebenso bei den nicht weniger genialen Entscheidungsträgern in der politischen Verantwortung. Ich hatte die Kudankulam Strategie nicht verstanden.

Der erste Block in Kudankulam lieferte dieses Jahr fast sechs Monate lang Strom, mit nur zwei Unterbrechungen und mit über 50 Prozent der Maximal-Leistung. Dann ging der Reaktor für die nächsten 6 Monate in den jährlichen Wartungsmodus. Soweit alles bestens, alles verlief nach dem ursprünglichen Plan. Wegen kleinerer technischer Unregelmäßigkeiten konnte dann allerdings der zweite Block nicht wie geplant sechs Monate nach dem ersten Block in Betrieb gehen. Der ursprüngliche Plan war ja, während des ganzen Jahres immer einen Block am Netz zu haben.

Die gute Nachricht ist: Die genialen Politiker haben diese Situation vorausgesehen und ohne Zögern gehandelt, als es erste Hinweise auf einen Optimierungsbedarf gab. Sie bestellten umgehend zwei weitere Reaktoren. Die Parameter der Kudankulam Strategie wurden aktualisiert: Aus „Build2-Run1“ wurde „Build4-Run1“, baue vier Einheiten, damit immer eine Strom liefert. Auf diese Weise muss ein Block gerade mal drei Monate im Jahr arbeiten, und kann dann in eine erweiterte Jahreswartung gehen. Für den Fall, dass auf diese Weise eine zuverlässige Stromversorgung im Sinne von „always on“ und eine gleichmäßige Netzauslastung nicht zu einhundertfünfzig Prozent gewährleisten werden können, sind schon weitere Optimierungen angedacht. „Build6-Run1“ oder „Build8-Run1“ könnten übertriebene Anforderungen an die Belastbarkeit einzelner Reaktoren korrigieren.

Die Kudankulam-Strategie ist flexibel und leicht anzupassen. Arevas EPR-Strategie in Olkiluoto/Finnland „Build1-Run0“ (gesprochen als „Build one, run none“) kann als Variante der Kudankulam-Strategie verstanden werden. Im Strategiemuster „BuildX-Run1“ kann die „1“ ohne zusätzliche Kostenrisiken durch eine „0“ ersetzt werden. Bei größerem X steigen die Kosten und Sie bekommen auch mehr Wirtschaftswachstum. Und wie wir alle wissen, ist Wirtschaftswachstum notwendig, um Armut zu bekämpfen. Die Win-Win-Strategie aus Kudankulam ist ein Leitbild für die globale Atomindustrie.